Ich möchte keine Influencerin sein.
Über die Angst vor der Meinung anderer. Und darüber, öffentlich sichtbar zu sein, ohne kopiert werden zu wollen. Ich glaube ich möchte lieber Defluencerin sein.
Es fühlt sich immer irgendwie seltsam an, etwas in den sozialen Medien zu teilen und so der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Wenn ich etwas hochlade, ist das oft mit einem leisen Schamgefühl verbunden. Weil ich mir zu viele Gedanken darüber mache, was andere denken könnten. Dass ich vielleicht vorhabe, Influencer zu werden. Dass ich nur auf Erfolg aus bin oder die großen Klicks erwarte.
Aber warum denke ich das eigentlich?
Sichtbarkeit = Einfluss?
Vielleicht, weil Sichtbarkeit in sozialen Medien oft mit Selbstvermarktung und einer Sehnsucht nach Einfluss gleichgesetzt wird. Man teilt etwas, sei es ein Bild, einen Gedanken, ein Video oder auch nur eine Erfahrung und automatisch entsteht die Erwartung, dass daraus eine Inspiration oder sogar ein „So solltest du es auch machen“ wird. Es geht um Follower. Und oft auch einfach nur darum, gemocht, bewundert und im besten Fall imitiert zu werden.
Das ist aber gar nicht mein Ziel. Warum mache ich mir dann also trotzdem solche Gedanken, wenn ich etwas poste?
Ich merke immer wieder, wie wenig ich eigentlich möchte, dass Menschen mir nacheifern, genau das tun und denken was ich auch mache. Ich möchte auch gar nicht, dass jemand etwas übernimmt, ohne es zu hinterfragen. Ich will auch keine 1:1 Vorlagen liefern. Eher möchte ich Räume öffnen und dazu anregen, sich selbst Gedanken zu machen, damit etwas eigenes entstehen kann.
Vorbilder oder Werbefiguren?
Das Wort „Influencer“ fühlt sich für mich absolut falsch an. Nicht, weil ich etwas gegen Menschen habe, die ihr Leben öffentlich teilen, ich mache es ja selbst, sondern weil ich diesen Begriff absolut nicht auf mich übertragen kann. Influencer beeinflussen Menschen in ihrer Denkweise, in ihrem Konsumverhalten und können ihre Anhänger in gewisser Weise so steuern, dass sie auf Werbeversprechen anspringen. “Follower” werden dann zu Marionetten, ohne es zu merken. Sie werden getrimmt, geformt, gezielt geleitet – meist zu einem Kauf, den sie vorher nie geplant hätten. Ist uns doch allen schon mal passiert, oder?
Das Gegenmodell: Defluencer
Inzwischen gibt es eine Gegenbewegung zur Influencerwelt. Das Gegenteil von “Influencer ist… genau, “Defluencer”. Und das trifft es bei mir viel eher. Denn, ich will nichts verkaufen und auch nicht inspirieren im Sinne von: „Tu das auch.“ Wenn überhaupt, dann will ich inspirieren. Inspirieren sich selbst Gedanken zu machen, selbst herauszufinden, welcher Weg für einen selbst funktioniert.
Warum ich lieber beruhige als antreibe
Die Welt ist laut genug. Viele schreien nach Aufmerksamkeit. Alles wird auf Social Media optimiert, KI generiert, vermarktet, durchgestylt, nachgekauft, kurz genutzt, wieder weggeworfen. Und danach wieder vergessen.
Was mir oft fehlt ist Tiefe. Oder auch Nachhaltigkeit. Gar nicht nur ökologisch gedacht, sondern auch im Sinne von “Was bleibt?” Ich sehne mich nach etwas, das nachhallt. Nach Echtheit statt Oberfläche. Nach Kratzern, die Narben hinterlassen. Nach Sätzen, die hängen bleiben. Nach Bildern, die nicht einfach weitergewischt werden. Nach Momenten, in denen jemand sagt: „Ich weiß es gerade auch nicht.“ anstatt zum 10x: „Das ist der Gamechanger!“
Folgen, ohne zu kopieren
Ja, ich teile, was ich denke und fühle. Aber ich will keine Rezepte zum Nachkochen bereitstellen. Viel lieber wäre mir, dass wir mehr hinterfragen. Und zwar nicht nur wie andere etwas machen, sondern warum? Und ob es für uns selbst überhaupt Sinn ergibt. Ich wäre dafür, dass wir weniger vergleichen und mehr nach innen schauen. Dass wir einander online beobachten, aber nicht in dieselben Fußstapfen treten. Eigentlich wäre ich sogar dafür, den Begriff “Follower” komplett abzuschaffen.
Vielleicht ersetzen wir ihn durch “Beobachter”. Oder einfach: “Menschen, die zuhören”.